von Ernest L. Rossi, David Nimmons
lesenswert für jeden – STRONG BUY

20 Minuten Pause von Ernest L. Rossi und David Nimmons verkauft sich selbst mit seinem wenig vielversprechenden Titel recht schlecht – weit unter Wert. ´20 Minuten Pause´ – wer denkt da nicht sofort an ein weiteres ´Tu-Dir-mal-was-Gutes´-Buch. Andererseits ist der Autor Ernest L. Rossi ein langjähriger Mitarbeiter und Begleiter Milton Ericksons, was zumindest mich neugierig machte.

Tagträumereien, plötzlicher Bewegungsdrang, mangelnde Konzentration für die Außenwelt??? All das tritt mit frappierender Regelmäßigkeit alle 90-120 Minuten auf und in unseren Alltag ein – ob wir es wahrhaben (wollen) oder nicht. Natürlich stört das unsere Pläne und ebenso natürlich stattet uns die Natur mit Reserven aus, die im Ernstfall diesen Rhythmus obsolet erscheinen lassen. Die Geist-Körper-Interaktion pusht da schon ganz gut mit Hormonen, andere helfen einfach mit Nikotin und Koffein nach. Dennoch führt diese ignorante Abstumpfung langfristig zu chronischem Stress und psychosomatischen Krankheitsbildern.

Hat Rossi all das nun aus irgendeinem Hut gezaubert? Nein! Und genau das ist so spannend an dem Buch. Mit einigen zeitabhängigen psychologischen Tests zur Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit in verschiedenen Bereichen zeigt Rossi die Existenz eines ´ultradianen Rhythmus´ (=mehr als täglich wiederkehrend) auf – bis hin zur rhythmischen Zellteilung in eben diesem 90-120-minütigem Intervall mit der nachfolgenden 20-Minuten-Pause. Dass abhängig von Tätigkeit und auch zwischen Personen geringfügige (!) Abweichungen bestehen, wird ebenso aufgeführt. Interessant fand ich auch das Auftreten dieser Zyklen im Schlaf. Ganz anders als die weit verbreiteten ´Biorhythmen´ kann dieses 90/120+20-Minuten-Muster wohl zu recht als von ihm so bezeichnetes ´Basic Rest – Activity Cycle´ (BRAC) gelten.

Gesetzt den Fall, es wäre so, was tun damit? Dafür bietet Rossi einige Ideen, wie jeder für sich selbst lernen kann, diese Phasen zur nötigen – nicht nur psychischen, sondern real physischen – Regeneration zu nutzen. Daher auch meine Empfehlung, Jeder und wirklich Jede möge dieses Buch zum eigenen Nutzen lesen – oder Rossis Behauptungen fundiert widerlegen. Mir persönlich fallen jedenfalls einige Beispiele ein, wo diese ´ultradianen Zyklen´ durchaus einen Sinn ergeben – Burnout ist nur eins davon.

Rossi selbst erwähnt im Buch, dass er Milton Erickson mit seiner Hypothese konfrontierte, dass dessen oft als ´naturalistisch´ bezeichnete Art der Hypnotherapie mit diesem Rhythmus in Zusammenhang steht. Und zwar insofern, wie Erickson als guter Beobachter gerade jene Phasen in seinen 2-stündigen(!) Therapiesitzungen für Interventionen zu nutzen wusste, in denen seine Klienten besonders empfänglich dafür waren. Erickson – anfangs selbst erstaunt über diese Hypothese – konnte dieser Option nur zustimmen.

Wer was aus diesem Buch macht, das hängt wie immer schlicht vom Leser ab. Manager werden verständlicherweise nicht für die gesamte Belegschaft plötzlich regelmäßig ´20-Minuten-Pausen´ verordnen können. Andererseits ist dieses Buch vielleicht ein erstaunlich wertvoller Beitrag für eine neue Sicht von langfristig (lebens-)notwendigen und vor allem überraschend regelmäßigen wie wirksamen Pausen für ´wirkliche´ Leistung in unserer Zeit.