von Jürgen Wippich, Ingrid Derra-Wippich, Ingrid Derra-Wippich
ein weiteres Buch zur Provokativen Therapie, noch dazu ein sehr gutes — sehr gute Einführung in Farrellys provokativen Stil

Mehr durch Zufall entdeckte ich dieses – mittlerweile mein drittes – Buch zur Provokativen Therapie (PT) und muss sagen, das hier hat mir bisher fast am besten gefallen. Warum das so ist, soll kurz erklärt sein.

Beim Original (ISBN 3540166661) von Frank Farrelly bekommt man einen guten Eindruck davon, wie er durch einige Mißerfolge bei bestimmten Patienten und nachfolgende Experminente den provokativen Stil Schritt für Schritt ´entdeckte´. Allerdings beschreibt dieses Original überwiegend des Meisters Selbstverständnis seiner Arbeit und ist in der deutschen Fassung unverschämt teuer. Eine günstigere und sehr lesenswerte Einführung in den provokativen Stil bieten Höfner / Schachtner mit ´Das wäre doch gelacht´ (ISBN 3499602318).

Jürgen und Ingrid Wippich haben Farrelly quasi in Deutschland promotet, übersetzt, eine Zeit lang begleitet und von ihm gelernt. Dadurch waren sie in der Lage – neben eigenen Praxisbeispielen und Erfahrungen – eine relativ objektive (so es die gibt?) Perspektive von Farrelly zu gewinnen und weiterzugeben.

Genau diese Perspektive scheint mir gerade bei einem erfolgreichen Therapie-Praktiker wie Farrelly wichtig, da seine Arbeit wesentlich mehr beinhaltet, als von ihm selbst bewußt verwendet wird. So hat er zwar sein ursprüngliches Handwerk und seine Grundhaltungen in der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie von Carl Rogers erlernt. Andererseits verwendet er auch zahlreiche systemische, hypnotherapeutische (…) Elemente in seiner Arbeit, die im sozusagen von anderen Profis ´diagnostiziert´ werden, deren er sich aber nur zum Teil ´bewußt´ ist. — An der Stelle passt vielleicht der Hinweis auf den blinden Fleck des Johari-Fensters „Was anderen bekannt ist“ — Farrelly selbst schreibt dazu: „Für einen provokativen Therapeuten ist es schon ein wenig verwirrend, so gut verstanden zu werden – aber ich muß zugeben, Jürgen und Ingrid haben das gut gepackt.

Die Praxis-Module (S. 37-122) im Buch stammen von zwei Workshops, in denen Farrelly ca. 25-45 mit Klienten arbeitet und sind daher sehr ausführlich und nachvollziehbar. Am Ende jeder Sitzung werden noch kurz Erfahrungen und Reaktionen besprochen. Der Theorieteil (S. 123-216) diskutiert therapeutische Begriffe und Annahmen über die Veränderbarkeit von Menschen. Besonders bringen Ingrid und Jürgen Wippich ihre Ideen zur Neurokybernetischen Selbstorganisation (NKS) ein, Beispiele zur Autopoiesis, sowie Gedanken zu Trivialen und Nicht-Trivialen Maschinen. Für Therapeuten sicherlich interessante Grundüberlegungen, die andere Konzepte durchaus überdenkenswert erscheinen lassen. Wer ´Denk nicht an Blau´ von Jürgen Wippich zuvor gelesen hat, wird in diesem Kapitel einiges wiederfinden. Interessanter weil praktischer wird dann die Frage „Was tut Frank Farrelly?“ (S. 217-268) beantwortet, da hier die provokative Arbeit ´seziert´ und in ihren Elementen verstehbarer wird. Ebenso finden sich Ideen und konkrete Anleitungen dazu, wie man am besten Provokative Therapie trainiert. Den Abschluß bilden dann ´25 Faktoren bei Farrelly´ und ´Franks Krückenladen über männlich-weibliches Stammeswissen´, was kurz und prägnant sicher jedem manches Mal ein Grinsen entlockt. Lesenswert – amüsant – lehrreich – 5 Sterne.